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drucken | schliessen Einleitung

HERMES definiert ein Rollenmodell und beschreibt standardisierte Rollen, um ein einheitliches, organisationsübergreifendes Verständnis zu schaffen.

 

Das Rollenmodell unterscheidet Rollen der Stammorganisation und Rollen der Projektorganisation. Die Abbildung zeigt eine minimale Projektorganisation mit den Rollen Auftraggeber, Projektleiter und Fachspezialist. Weitere Rollen werden nach Bedarf verwendet.

Stammorganisation

Die Stammorganisation ist die Organisation des Auftraggebers und Anwenders, in der das Projekt angesiedelt ist. Sie ist eine rechtliche Einheit, welche Strategien und Vorgaben für Projekte bestimmt. Die Stammorganisation stellt die benötigten Ressourcen (finanziell, personell und Infrastruktur) für das Projekt zur Verfügung. Beispiele von Stammorganisationen sind die Bundesverwaltung, eine Kantonsverwaltung, eine Stadtverwaltung, ein Verein, eine Unternehmung.

In der Stammorganisation sind für das Projekt drei Rollengruppen relevant:

  • Leitung:

    Projektportfolio aus strategischer Sicht steuern, Projekte priorisieren und personelle und finanzielle Ressourcen dem konkreten Projekt zuweisen.

  • Kompetenzzentrum Projektmanagement:

    Methoden, Hilfsmittel, Coaching und weitere Leistungen für das Projektmanagement  und das Projektportfoliomanagement bereitstellen. Diese Funktion wird auch als Project Management Office (PMO) bezeichnet.

  • Controlling- und Vorgabestellen:

    Vorgaben definieren und die Einhaltung aus organisationsweiter Sicht prüfen. Solche Stellen sind beispielsweise die Finanzkontrolle, die Revisionsstelle, das IT-Controlling, die Architektur und die Stellen für Informationssicherheit und Datenschutz.

Je nach Stammorganisation sind die Rollen der aufgeführten Rollengruppen unterschiedlich ausgeprägt. In HERMES sind sie daher nicht weiter beschrieben.

Projektorganisation

Die Projektorganisation ist eine temporäre Organisation, die in enger Beziehung zur Stammorganisation steht. Sie wird mit dem Projektinitialisierungsauftrag in Kraft gesetzt und mit dem Entscheid zum Projektabschluss aufgelöst.

Im Verlauf der Projektabwicklung wird die Projektorganisation kontinuierlich an die Bedürfnisse des Projekts angepasst. Je nach Projektablauf stossen weitere Partner zur  Projektorganisation. Beispielsweise steht ein externer Anbieter eines Produkts erst nach der Beschaffung fest und wird dann Teil der Projektorganisation.

Die Projektorganisation besteht aus verschiedenen Rollen. Sie regeln Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung der Projektbeteiligten. Jede Rolle ist mit einer Rollenbeschreibung spezifiziert.

 

Eine Rolle ist einer der Hierarchieebenen Steuerung, Führung oder Ausführung zugeordnet:

  • Steuerung:

    Projekt gesamthaft, organisationsübergreifend steuern und sicherstellen, dass die Projektziele erreicht werden  

  • Führung:

    Projektgrundlagen erarbeiten, Projekt und Mitarbeitende führen, Projekt abschliessen

  • Ausführung:

    Projektergebnisse erarbeiten und qualitätssichernde Massnahmen durchführen

Die Rollen Auftraggeber, Projektleiter und Fachspezialist müssen in jedem Projekt besetzt sein. Die weiteren Rollen werden abhängig von den Anforderungen des Projekts zugewiesen.

Die Rollen der Fachspezialisten sind zahlreich und nicht alle im generellen Organigramm aufgeführt. HERMES beschreibt die Rollen der Fachspezialisten so weit, dass diese als Grundlage für ein gemeinsames Verständnis dienen können.

In der Projektorganisation sind die Partner Anwender, Ersteller und Betreiber vertreten. Jede Rolle ist einem oder mehreren Partnern zugeordnet.

Rollenübersicht

Die Tabelle gibt eine Übersicht der Rollen in der Projektorganisation. Sie zeigt zudem die Zuordnung der Rolle zur Hierarchieebene und zum Partner.

Hierarchie-Ebene Rolle Anwender Ersteller Betreiber
Steuerung Auftraggeber X
Führung Projektleiter X
Ausführung Fachspezialisten 
Anwendervertreter X
Anwendungsverantwortlicher X
Business Analyst X X
Entwickler X
Geschäftsprozessverantwortlicher X
IT-Architekt X X X
Testverantwortlicher X X X
Tester X X X

Der Rolleninhaber vertritt die Sicht seiner Organisation im Projekt.

 

  • Anwender:

    Der Anwender ist der Nutzer des Produkts oder IT-Systems und wickelt damit seine Geschäftsprozesse ab. Er ist verantwortlich für die Definition seiner Anforderungen, testet und nimmt das Produkt/das IT-System ab.

  • Ersteller:

    Der Ersteller entwickelt oder liefert und integriert das Produkt/das IT-System. Er ist verantwortlich für die Entwicklung bzw. Lieferung und Integration gemäss den Vorgaben bezüglich Qualität, Zeit und Kosten.

  • Betreiber:

    Der Betreiber integriert die technische Lösung in die Betriebsumgebung, stellt die Betriebsorganisation sicher und betreibt das System. Er ist verantwortlich für die Bereitstellung der Betriebsinfrastruktur, die Betriebsintegration, die Betriebsorganisation und den Betrieb gemäss den Vereinbarungen.

Die am Projekt beteiligten Partner werden oft durch Lieferanten oder externe Dienstleister unterstützt. Die Beschaffung der Leistungen und die Integration ins Projekt erfolgen in der Verantwortung der jeweiligen Organisation des Anwenders, Erstellers oder Betreibers.

Rollenbesetzung

Für jede im Projekt benötigte Rolle wird die Rollenbesetzung festgelegt.

Die Rollenbesetzung erfolgt basierend auf den Anforderungen des Projektes. Sie  berücksichtigt die im Projekt erforderliche Erfahrung, die benötigte Kapazität und die Verfügbarkeit der Rolleninhaber. Die konkrete Projektorganisation und die Rollenbesetzung werden im Projektmanagementplan festgehalten.

Bei der Rollenbesetzung müssen die folgenden Grundsätze beachtet werden, damit die Governance eingehalten werden kann:

  • Eine Person kann mehrere Rollen wahrnehmen, sofern keine Interessenkonflikte dadurch entstehen
  • Eine Rolle kann von mehreren Personen eingenommen werden (es gibt z.B. meistens mehrere Tester in einem Projekt)
  • Die Rollen Auftraggeber, Projektleiter und Fachspezialist müssen in jedem Projekt besetzt sein. Die weiteren Rollen werden abhängig von den Anforderungen des Projekts zugewiesen

Nachfolgend sind Hinweise zur Rollenbesetzung für einige Rollen aufgeführt.

Steuerung

Auftraggeber

  • Der Auftraggeber muss beim Anwender angesiedelt sein
  • Der Auftraggeber muss das Projekt in der Führung der Stammorganisation und den Controlling- und Vorgabestellen vertreten und in der Stammorganisation hierarchisch entsprechend hoch angesiedelt sein
  • Der Auftraggeber stellt sicher, dass die für den Projekterfolg massgebenden Stakeholder im Projekt vertreten sind
  • Die Rollen Auftraggeber und Projektleiter dürfen nicht durch dieselbe Person besetzt werden

Projektausschuss

  • Der Auftraggeber bestimmt die Mitglieder des Projektausschusses
  • Für den Projekterfolg relevante Organisationen sind im Projektausschuss vertreten
  • Der Auftraggeber legt das Stimmrecht der Projektausschussmitglieder fest. 

Qualitäts- und Risikomanager

  • Abhängig von der Projektgrösse und den Risiken beauftragt der Auftraggeber eine Stelle mit dem Qualitäts- und Risikomanagement. Sie rapportiert direkt an den Auftraggeber
  • Die unabhängige Organisation, welche den Qualitäts- und Risikomanager stellt, übernimmt keine weiteren Rollen im Projekt und muss die Unabhängigkeit des Mandats sicherstellen

Führung

Projektleiter

  • Der Auftraggeber bestimmt den Projektleiter
  • Der Projektleiter ist beim Anwender angesiedelt
  • Übernimmt der Projektleiter zusätzlich Aufgaben eines Fachspezialisten, muss durch den Auftraggeber sichergestellt werden, dass dennoch genügend Kapazität für die Projektleitung zur Verfügung steht

Teilprojektleiter

  • Jeder Partner (Anwender, Ersteller, Betreiber) stellt einen Verantwortlichen, der die Arbeiten in seinem Bereich plant und führt. Dieser kann die Rolle des Teilprojektleiters wahrnehmen
  • Der Teilprojektleiter des Anwenders kann zugleich Projektleiter sein

Ausführung

Business Analyst

  • Der Business Analyst kann in kleineren Projekten zusätzlich die Rolle des  Projektleiters oder des anwenderseitigen Teilprojektleiters übernehmen, sofern er das Anforderungsprofil erfüllt und über die benötigte Arbeitskapazität verfügt

Tester

  • Jeder Partner (Anwender, Ersteller, Betreiber) testet in seinem Verantwortungs­bereich

Testverantwortlicher

  • Jeder Partner (Anwender, Ersteller, Betreiber) kann in seinem Verantwortungs­bereich einen Testverantwortlichen einsetzen
  • Der Anwender kann das Testmanagement an einen der Projektpartner delegieren. Die Gesamtverantwortung für das Projektergebnis bleibt jedoch bei ihm

Rollenbeschreibungen

Erläuterung der Rollenbeschreibung

Die Rollen beschreiben die Verantwortung, die Kompetenz und die benötigten Fähigkeiten der  Projektbeteiligten. Sie bilden die Grundlage für ein gemeinsames Verständnis. Die Rollen sind Aufgaben und Ergebnissen zugeordnet.

  • Bei den Aufgaben ist immer eine verantwortliche Rolle aufgeführt. Sie trägt auch die Verantwortung für die Ergebnisse.
  • Bei den Ergebnissen sind an der Erarbeitung beteiligte Rollen aufgeführt. Sie sind nicht abschliessend und müssen projektspezifisch festgelegt werden.

Jede Rolle ist mit einer Rollenbeschreibung spezifiziert. Alle Rollenbeschreibungen sind gleich strukturiert:

  • Beschreibung: schafft das Verständnis der Rolle
  • Verantwortung: beschreibt die Verantwortung der Rolle
  • Kompetenzen: beschreibt die Befugnisse der Rolle
  • Fähigkeiten: beschreibt, welche Kenntnisse eine Person benötigt, um die Rolle wahrnehmen zu können. Bei der Beschreibung der Fähigkeiten wird bewusst nicht zwischen Kenntnissen und Erfahrung unterschieden, da der Grad der benötigten Fähigkeiten stark vom Projekt abhängig ist
  • Beziehungen: zeigt den Bezug der Rolle zu Modulen, Ergebnissen, Aufgaben